Von Zeitmangel und Zeitwohlstand

Am 28. September 2015 fand in Krefeld im Rahmen des Alexianer Ethikforums eine Fachtagung zum Thema "Ich habe keine Zeit! - Lebensgefühl und Last des gehetzten Menschen" statt, an der ich zusammen mit meinem Mann teilgenommen habe. Ein paar Erkenntnisse aus den Vorträgen möchte ich gerne mit euch teilen.

"Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?"
Unser Gefühl, dass unsere Zeit immer knapper wird und sich alles immer schneller fortbewegt, trügt uns nicht. Tatsächlich gibt es in unserer westlichen Welt Faktoren, die die Uhren schneller drehen:
Die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung, der Wachstumsdruck, sorgen für eine Beschleunigung; die Dynamik der technischen Entwicklung, stets müssen neue Innovationen auf den Markt gebracht werden; die Dynamik der modischen Entwicklung - wir wollen Vergangenes stets durch Neues überwinden; Verschleiß und Verfall müssen ständig aufgehalten werden und schließlich die Dynamik der sozialen Entwicklung, bei der sich durch neue Impulse immer mal wieder ein Wertewandel der Gesellschaft vollzieht.

Wie kann man als Individuum darauf reagieren?
Ist es nicht wunderschön, Herrin über die eigene Zeit zu sein? Ich genieße das immer sehr, auch wenn es natürlich mit kleinen Kindern nicht immer vorkommt. Seit der Kleine im Kindergarten ist, bin ich zumindest morgens Herrin über meine Zeit und das ist für mich schon einmal sehr heilsam. Außerdem tut es gut, Dinge nacheinander statt gleichzeitig zu erledigen, Routinen einzuführen, nur kurze To-Do-Listen zu schreiben, innere und äußere Antreiber zu erkennen. Wer mag, kann auch etwas über den eigenen Chronotypen herausfinden (Auf der Website von Dr. Elmar Hatzelmann gibt es den Download eines Vortragsskripts mit einem entsprechenden Fragebogen). Interessant fand ich auch den Gedanken, einmal zu überlegen, was denn dem eigenen Ich entspricht. Bin ich eine Powerfrau, die es liebt zu organisieren und in Aktion zu sein. Oder brauche ich viel Langsamkeit und Ruhe?

Wir sind Kinder unserer Zeit
Sehr interessant waren dann auch noch die Ausführungen von Prof. Dr. Christine Morgenroth zu den gesellschaftlichen Prägungen. Heute ist unser Ideal der sich stets selbstoptimierende Mensch. Dies haben wir teilweise so stark verinnerlicht, dass uns unsere Abhängigkeit von Smartphone und Sozialen Netzwerken gar nicht mehr auffällt. Sie plädierte für mehr Eigensinn und Eigenzeit und das ist auch mein Fazit.

Die Rush-Hour des Lebens, die Zeit, in der wir Kinder und Beruf und Partnerschaft und Freunde und Ehrenamt und Sport unter einen Hut bekommen müssen, verlangt uns viel ab - manchmal zu viel. Wenn wir uns so umschauen, denken wir manchmal: "Aber die anderen schaffen das doch auch!" Die Anderen sind aber nicht der Maßstab - vielmehr sollten wir auf uns schauen, uns kennen lernen und darauf achten, nicht gegen die eigenen Bedürfnissen zu leben, sondern sie wichtig zu nehmen und zu berücksichtigen - denn nur wenn es uns gut geht, geht es auch unseren Kindern gut.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
danke für die interessante Zusammenfassung!

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